Holzschnitt 1510
    
Nikolaus von Flüe
Bruder Klaus  
  
 
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   Demut und Glaube · das Fundament des Hauses
  
  

Zwischen 1468 und 1472, wenige Zeit, nachdem Bruder Klaus in den Ranft gezogen war, besuchte ihn Geiler von Keisersberg, ein in seiner Zeit berühmter Prediger am Strassburger Dom. In einer Predigt am Fest St. Florentius (7. November) erwähnte er den Eremiten im Ranft:
  
Gemälde in Sarnen« Ein gerechter Mensch ist tief verwurzelt und hat sein Fundament auf Demut und Glauben gegründet. Die einen nennen es «Fullemunt» [mittelhochdeutsch: Fundament], die anderen «Fundament». «Fundament» entspricht mehr der lateinischen Sprache als «Fullemunt». Wie können aber Demut und Glaube ein Fundament setzen? Das will ich dir zeigen. Es ist zweiunddreissig Jahre her, nicht weniger, da war ich einmal bei Bruder Niklaus in der Schweiz. Ich fragte ihn: «Lieber Niklaus, Ihr führt ein strenges Leben – man sagt, sogar noch mehr als ein Kartäuser oder sonst ein Frommer -, fürchtet Ihr Euch nicht, Ihr könntet Euch irren und das Falsche tun?» Er antwortete: «Wenn ich die Demut habe und den Glauben, dann tue ich nichts Falsches.» Als ich das vernahm, musste ich zugeben, dass er eine vortreffliche Antwort gegeben hatte. Aber wie bilden nun Demut und Glaube das Fundament? Es ist so: Wenn man ein grosses Gebäude errichten will, so gräbt man zuerst ein tiefes Loch. Und wenn man so am Graben ist und dabei gefragt wird: «Was macht Ihr da?», dann gibt man zur Antwort: «Ein Fundament.» Wenn das Loch gegraben ist - das Fundament -, dann legt man grosse Steine hinein und mauert damit auf. Und wenn der Maurer gefragt wird, was er denn da mache, so sagt er: «Ich mache das Fundament.» Schaut nun, wie man beide, das Loch und die Mauer, als «Fundament» bezeichnet. Genauso sind Demut und Glaube zusammen das Fundament. Die Demut ist das tiefe Loch, aber die Mauer ist der Glaube. […] Aus dem Evangelienbuch, das Buch der Evangelien für das ganze Jahr, mit Predigten und Auslegungen des würdigen, hochgelehrten Doktor Johannes Geiler von Kaisersberg […] gedruckt in der kaiserlichen freien Stadt Strassburg […] im Jahre 1515. »
  
von Ferdinand Gehr
Demut und Glauben, beide zusammen sind das Fundament. Daran baut der Mensch in der Zeit seines irdischen Lebens. Das Leben ist auf dieses Fundament angewiesen. Selbst wenn der Oberbau von bester Qualität wäre, er könnte nicht dauerhaft bestehen, wenn er nur von einem schlechten oder gar keinem Fundament getragen würde. Zugleich gilt: Ohne Demut hat im Menschen der Glaube keinen Platz. Es muss alles der Reihe nach gehen.
  
Religion findet im Herzen statt, oder sie findet überhaupt nicht statt. Das Herz ist das Haus der Seele. Dieses Haus kann aber kein Luftschloss sein, kein Spinnengewebe (Ijob 8,14-15; 27,18). Ein stabiles Haus ist nicht auf Sand gebaut (Mt 7,26), es ist fest in der Erde verankert. Das ist das passende Gleichnis. Am idealsten ist es, wenn für das notwendige Fundament die Erde ausgegraben wird und man dabei auf felsigen, also auf festen Grund stösst (Lk 6,48). Dementsprechend soll es sich mit dem Haus der Seele verhalten, mit dem Herzen. Bruder Klaus ist ein guter Lehrer, auch wenn er nur wenige Worte macht. Denn seine gleichnishaften Worte treffen immer genau ins Ziel. Der Felsengrund, der Garant für die Stabilität des Hauses, ist im biblischen Reden zunächst Gott selbst, er ist der Fels (Dtn 32,4; Ps 18,3.32.47; 28,1; 31,3-4; 62,3.7; 92,16; 95,1; 144,1; Jes 26,4), Gott ist unbeirrbar und treu (Dtn 32,4). Zuverlässigkeit, Treue und Wahrheit heissen im Hebräischen «amen». Auch der betende Glaube gibt seine Antwort, gleichsam seine Unterschrift mit diesem Wort: «Amen». Gott hat es in seinem Schöpfungsplan so vorgesehen: Jedes stabile Haus muss auf felsigem Grund stehen (Mt 7,25), also auch das Haus der Seele, das Herz, die «Hauskirche». Das treue, beständige, zuverlässige, lebensfähige Herz des Menschen steht auf dem Felsen. Dieser ist nichts anderes als der feste Glaube an Jesus, den Messias und Gottessohn (Mt 16,16). Wenn Jesus zu Simon Barjona (Petrus) sagt, «Du bist ein 'petros' (=Fels), und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen ...», dann meinte er damit eigentlich weniger die Person des Petrus, als vielmehr seinen beispielhaften, felsenfesten Glauben. Dieser felsenfeste Glaube ist letztlich das Fundament der Kirche, die weitaus mehr ist als das, was von ihr oberflächlich sichtbar ist.
  
Der Domprediger und Doktor der Theologie Geiler von Keisersberg versuchte den Einsiedler im Ranft in eine Art Inquisition zu verwickeln, ähnlich wie der «unbekannte Dominikaner», der mit Bruder Klaus im Frühsommer 1469 ein Gespräch führte und dieses schriftlich festhielt. Eingangs des Berichts geht es um die gleiche Thematik, der Dominikaner will den Eremiten dahingehend prüfen, ob er denn nicht hochmütig und unredlich sei. Dabei erzählte ihm der Waldbruder mit schlichten Worten von seiner Berufung und seinem Werdegang: Er besprach seine innere Zerissenheit mit seiner Frau. Seine angsterfüllten Depressionen wurden immer stärker, bis er lernte, eifrig das Leiden Christi zu betrachten. Dies brachte ihm die Heilung von seinem Leiden. – Er suchte damit eigentlich Zuflucht im Pessach-Geheimnis (Abendmahl bei den Israeliten vor dem Auszug aus Ägypten, Ex 12); das «Lamm Gottes» rettete ihn.

Quelle: Werner T. Huber, Bruder Klaus, Niklaus von Flüe in den Zeugnissen seiner Zeitgenossen (Benziger Verlag 1996)
  
Bild oben: Portrait in Öl eines unbekannten Malers im 17. Jahrhundert
im Benediktinerkollegium Sarnen
  
Bild unten: Fresko von Ferdinand Gehr in der Kirche «Bruder Klaus»
in Oberwil, Gemeinde Zug (1957)    
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