Holzschnitt 1510
    
Nikolaus von Flüe
Bruder Klaus  
  
 
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   Quellen - Bruder Klausund Dorothea
  
  
Jakob Wimpfelings Mahnrede
  
Quelle Nr. 203

  

  
Zeit: 1505, vor April
  
Herkunft: Originalausgabe ohne Datum und Druckort, Fragmente in der Bürgerbibliothek Luzern H. 85
  
Kommentar: Obwohl Humanist und Reformtheologe war Jakob Wimpfeling ein energischer deutscher Patriot. Nichts ging ihm um die Einheit des Kaiserreiches. In dieser Optik waren ihm die Eidgenossen ein Dorn im Auge. Denn ihr Separatismus würde seiner Ansicht nach die christliche Grundordnung zerstören; vor allem auch angesichts der Gefahr, dass die Türken von Osten her in das Reich eindringen könnten. Für ihn ist es dann auch völlig unbefreiflich, dass die Schweizer sich in die Kriegsdienste verschiedener Herrscher begeben. Sein Patriotismus ist jedoch völlig pazifistisch fundiert; in der Einheit des Reiches sieht er Frieden und Wohlstand für alle gesichert. In einer fingierten Mahnrede legt er dem Eremiten Bruder Klaus kritische Worte in den Mund und brandmarkt vor allem die Praxis der Reisläuferei, das Söldnerwesen, er brandmarkt ihre kriegerische Einstellung und setzt ihnen Bruder Klaus als Liebhaber des Friedens und des geordneten Gemeinwesens entgegen.
  
Referenz: Robert Durrer, Bruder Klaus-Quellenwerk, 575–579

  

   Selbstgespräch Wimpfelings für den Frieden der Christenheit und die Bekehrung der Schweizer. Zu Ehren des römischen Königs und der Fürsten, auch zur Warnung der Staaten des heiligen römischen Reiches, damit sie nicht abtrünnig werden.
  
... Es wird eingeführt Bruder Klaus, wie er zu diesem Volke spricht, um es zur Besinnung zu bringen. Kapitel 33. Ich glaube dir, dass Bruder Klaus einst bei jenen in höchster Enthaltsamkeit lebte. Wenn er heute zu ihnen zurückkehren könnte, würde er mit folgender Rede und heilsamem Ratschlag beistimmen, und er spräche zu ihnen: Meine besten Söhne, bekehret euch und glaubet dem Evangelium. Wie die Völker aller anderen Reiche ihre Könige anerkennen, so erkennet auch euern König, das heisst den deutschen König, (weil ihr ja Deutsche seid), an. Deswegen werdet ihr weder zu Knechten, Sklaven, Hörigen noch Eigenleute (wie ihr sagt) , ihr werdet nicht zu unbilligen Tributen, nicht zu neuen Abgaben, nicht zu ungerechten Dienstleistungen euch gezwungen sehen. Im römischen Reiche herrscht ja keine despotische, sondern eine königliche Gewalt. Seid nicht Eigenbrötler. Schliesst euch den andern an, die nicht gemeiner sind, als ihr. Durch euere einmütige Hilfe wird der Türke leichter besiegt werden.
  
Höret auf, um geringen und verderblichen Sold zum Schutze der Launen und Herrschsucht jedes beliebigen Tyrannen Leib und Seele im Kampfe zu riskieren. Setzet nicht euern Stolz darauf, dass von vielen Königen zu euch Botschafter und Gesandte geschickt werden. Da sie eure Hilfe brauchen, beneiden sie euch und wollen (glaubt es mir), aus keinem andern Gefühl heraus, dass ihr nicht unterdrückt werdet, weil sie erwarten, durch eure Hilfe in dem Entscheidungskampfe, welcher gerechterweise einmal gegen sie geführt werden könnte, als Sieger hervorzugehen, und weil sie hoffen, dass ihr durch schnöden Mammon (wie der Habicht durch die Lockspeise) euch für alle ihre Fehden herbeilocken lasst.
  
Meine guten Söhne, lauft nicht zu verschiedenen Fürsten, die unter sich uneinig sind, damit es nicht geschieht, dass ihr in verschiedenen Heeren euch gegenseitig selber bekämpfen oder den einen der beiden Kriegsherren, der auf euch wohl vertraut, im Stiche lassen und an seinen Feinde verraten und in die Hand liefern müsst! Glaubt (würde Bruder Klaus sagen), dass es nicht einmal immer richtig ist, für das eigene zeiliche Interesse das Leben aufs Spiel zu setzen (weil es gegen das Naturgesetz und das Gebot der Liebe ist), geschweige denn für fremde Interessen! Glaubt, auch in gerechte Kriege eines fremden Fürsten bloss um des Soldes willen zu laufen, ist sicher eine grosse Sünde, ausser wenn der Sold nicht die Hauptursache bildet, sondern die Liebe zur Gerechtigkeit. Da aber unter den christlichen Fürsten gerechte Krriege ganz selten sind, ist die Erkenntnis, ob ein Krieg gerecht ist, äusserst schwierig; eine Wahrscheinlichkeitsannahme aber genügt nicht, es braucht volle Gewissheit!
  
Ihr seht, meine guten Söhne, auf welch gefährlichem Boden ihr steht, wenn ihr gleich auf den Ruf eines jeden kriegslustigen Königs hin bereit seid, zu ihm zu eilen und euer Leben zu verschwenden. Eure wahre Absicht ist (wahrscheinlich) gar nicht darauf gerichtet, die Gerechtigkeit zu verteidigen und die Ungerechtigkeit abzuweisen, sondern euer Sinn geht nach dem Geldbeutel und dem Gewinn; wo grösserer Lohn winkt, da bildet ihr euch ein, sei das grössere Recht, und ihr bereichert euch vom Christenmord. Ihr freut euch und suchet eitlen Ruhm im Prahlen mit Totschlag, so dass, je mehrfacherer Mörder einer ist, er um so grösseren Siegespreis und um so höheres Lob bei euch davonträgt und ihr ihm, wenn er heimkehrt, hohe Staats- und Ratswürden, Obersten- und Hauptmannsrang oder (wenigstens) das Amt eines Weibels verleiht. Ich möchte nicht der Ablässe teilhaftig werden, die ihr auf solche Weise durch Waffen und Feindschaften erlangt habt. Denn da der Friede der Zweck des Krieges ist und nur wegen des folgenden Friedens Kriege entstehen, so wäre es gerechtfertigter und rühmlicher, wenn wir zur Aufrechterhaltung des bestehenden Friedens zusammenwirkten, als dazu, dass die Ruhe und die behagliche Stille des gegenwärtigen Friedenszustandes durch Hochmut und Hass zerstört wird und durch Totschlag und Brand, aus Geldgier ein neuer Friede ersehnt werden muss. Seid davon überzeugt, dass euch dann wegen eurem Siege die Gnade und Freundschaft Gottes sicher ist. Nehmt die Philister zum warnenden Beispiel, die alten Römer, die Hunnen und Goten. Die Böhmen seien euch ein Beispiel, die durch die starke Hand der Gläubigen zur Einheit und zur Anerkennung des heiligen Stuhles (von dem sie abgefallen) nicht gezwungen werden konnten. Es sei euch ein Beispiel das schreckliche Volk der Türken, das nach dem Tode Gottfrieds und Balduins [König von Jerusalem] das heilige Land einnahm und seine Herrschaft ausdehnte und in vielen Kriegen glänzende Siege über die Christen – während einem viel längern Zeitraum als ihr – erlangt hat. Ganz langsam freilich schreitet der göttliche Zorn zur Rache, und die Verzögerung des Urteils wird durch die Schwere aufgewogen. Was nützt es, wenn euer Staatswesen wächst, wenn ihr in Macht und in allem, was irdisches Glück verheisst, Überfluss habt und euer Name durch die ganze Welt gefeiert wird, während die einzelnen oder der grösste Teil von euch zur Hölle fahren müssen und dies wahrlich nach dem gerechten Urteil Gottes, der ja den Frieden liebt, der die Völker, die den Krieg wollen, zerstreut, der die Hochfahrenden und Ungehorsamen hasst und die Männer des Blutes verabscheut. Gebt euch keiner Selbsttäuschung hin. Vertrauet nicht auf gewisse Zeremonien, die ihr euch, wider die Sitte anderer Christen, zugelegt habt. Glaubet nicht, dass, was der heilige Geist durch die heiligen Schriften verbietet, von euch allein Gott angenehm sei. Gewisse Gebärden und Zeremonien beim Gebete können öffentlich und unbehindert gebraucht werden. Von andern aber (und darunter ist das Ausbreiten der Arme in Kreuzform) lehren die gelehrten Vä ter, dass sie nicht öffentlich, sondern nur geheim, in verborgenen Gemächern, anzuwenden seien. Und Christus selber, als er derartiges tat, indem er auf sein Angesicht niederfallen wollte, entfernte sich von den drei Jüngern, dem Petrus und den beiden Söhnen des Zebedäus, einen Steinwurf weit. So sollen auch wir, meine Söhne, die Arme nicht öffentlich im Tempel ausbreiten, sondern heimlich, im Schlafzimmer und verborgener Einsamkeit, damit durch eure Sonderlichkeit die Religion nicht verweltlicht und die vom heiligen Geiste eingegebenen Schriften der ehrwürdigsten Kirchenväter verachtet erscheinen. Ich glaube, dass es für euch heilsamer und dem höchsten Gott angenehmer ist, wenn ihr euch der Flüche enthaltet, des verabscheuungswürdigen Missbrauches des göttlichen Namens und von jetzt an (in Scherz und Ernst) das Blut, das Fleisch und die fünf Wunden Gottes und Christi nicht mehr in eurem Munde führt. Lasst euch nicht durch jene verführen, die euch schmeicheln, auch wenn ihr sie für hochgelehrt haltet, sobald ihr sie ein gesetzloses Leben ohne Hemmung, mit lockeren Zügeln führen sehet; haltet die Lehre jener für verdächtig, die alle eure Taten billigen und entschuldigen, die euch den Weg zum Himmel, entgegen den Worten Christi, bequem und breit machen und im Predigen kein Missfallen zeigen für eure gar grossen Sünden. Dem Evangelium glaubet; zweifelt nicht, dass die Mahnworte Petri und Pauli wahr sind I Lehret die zwölf abscheulichen Missgestaltungen erkennen, welche die christliche Religion zertrümmern und verderben. Daruntelrwird von den heiligen Vätern ausdrücklich aufgezählt: Ein streitsüchtiger Christ, ein Volk ohne Ordnung, ein Staat ohne Gesetz.
  
So bin ich überzeugt, würde Bruder Klaus (wenn er in dieses Jammertal zurückkehrte) zu euch sprechen.
    
  
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