Holzschnitt 1510
    
Niklaus von Flüe
Bruder Klaus  
  
 
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   Quellen - Bruder Klausund Dorothea
  
  
Theophrastus Paracelsus
  
Quelle Nr. 251

  

  
Zeit: 1526-1534
  
Herkunft: a) De Archidoxis um 1526-1527, Gesamtausgabe der Werke, Erste Abt. (Medizinische, naturwiss. und philosophische Schriften) Band III, hg. Von Karl Sudhoff, München (Oldenburg) 1930, S. 90; – b) Cod. Voss. Chym. Fol. Nr. 24, Leiden, fol. 232r. Gedruckt in der Ges'ausg. Der Werke Zweite Abt. (Theologische und religionsphilosophische Werke) Band II, bearb. Von Kurt Goldammer, Wiesbaden 1965, S. 435f.
  
Kommentar: Für den modernen Menschen sind die alchemistischen Beschreibungen von Theophrastus Paracelsus (Einsiedeln 1493 – Salzburg 1541) reichlich fremd. Der Arzt und Naturphilosoph versuchte nun, die Nahrungslosigkeit seines Landsmannes in der Schweiz zu beschreiben. Dass man auswendig und inwendig essen kann, ist im religiösen Kontext sicher richtig: körperlich und geistig. Jeder Versuch, das geistige Essen materiell zu beschreiben, birgt jedoch einen Widerspruch in sich und ist zum Scheitern verurteilt. Der Magen als Magnet ... Dass Bruder Klaus Kräuter und Wurzeln auf seinen Leib legte, um so Nahrung aufzunehmen, ist nichts anderes als ein alchemistisches Märchen.
  
Referenz: Rupert Amschwand, Ergänzungsband, 39–41

  

   a)
  
[...] also auch der Mensch. So wächst also auch die Nahrung; was ungegessen ist, kann die Natur in solcher Gestalt erhalten, wenn es in das Erdreich vergraben wird mit den Füssen. Wir haben auch gesehen, wie einer auf sechs Monate nichts ass als allein einen Erdknollen, den er auf seinem Magen gelegt hatte. Wenn er dürr war, legte er einen neuen auf und klagte nicht über Hunger. Dies hat Ursachen, die wir gemäss dem Appetit setzen. Ebenso haben wir es gesehen bezüglich der Arznei, wie einer sich selbst erhalten hatte auf viele Jahre mit der quinta essentia auri [Quintessenz, Material aus dem gemäss altertümlicher Alchemie auch die Sternen sein sollen], von der er pro Tag kaum einen halben Skrupel [altes Apotherkermass: 1 scrupulus (lateinisch = Steinchen) = 1/24 oder 1/20 Unze, 1 Unze = 28,35 g oder 31,1 g] einnahm. Es gibt auch viele, die etliche Jahre nichts nichts gegessen haben, gegen zwanzig, wie es bei unserem Gedenken [Parecelsus denkt hier offensichtlich an Bruder Klaus] geschehen ist, wiewohl solches auf Gott zurückzuführen ist. Über die Frömmigkeit der Person wollen wir nicht urteilen. Natürlich ist jedoch, dass Traurigkeit, Melancholie und Schwermut Hunger und Durst dämmen, so dass durch das Zusammenziehen des Leibes ein Körper viele Jahre erhalten werden kann.
   
b)
  
Es ist nicht wenig, was Christus sagt: «Der Mensch lebt nicht allein vom Brot», das ist die Speise, «sondern von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes ausgeht» (Mt 4,4 par. Lk 4,4 sowie Dtn 8,3). Gleichwohl ist es so, dass Krankheit, Traurigkeit, Herzeleid, Besinnungslosigkeit [Bewusstlosigkeit] und Phantasie etc. auch speisen (wie es denn die tägliche Erfahrung gibt, dass oft ein Mensch mit einer Krankheit viele Tage oder Wochen nichts isst und doch nicht über Hunger klagt; desgleichen auch etwa, wenn ein Mensch in grossem Herzeleid und mit solcher Traurigkeit beladen ist, die ihn dermassen speist und tränkt, so dass er nicht daran denkt, zu essen und zu trinken; desgleichen ist zu sehen bei gefangenen, besessenen und besinnungslosen Leuten und denen, die mit grosser Phantasie beladen sind), - deswegen ist auch nicht weniger möglich, dass ein Mensch ohne diese Ursache ohne alles Essen und Trinken leben kann, wie Bruder Klaus und andere Waldleute [Einsiedler], von dem man weiss, dass er während zwanzig Jahren nichts gegessen hatte, dass er allein zur Erhaltung seines Lebens etliche Kräuter und Wurzeln auswendig auf seinen Magen, auf das Herzgrüblein legte, und wenn das dürr wnar, legte er ein anderes auf, und so hat er viele Jahre lang sein Leben erhalten, er nahm ansonsten keine Speise in seinen Mund, noch viel weniger hatte er etwas in seinen Magen hinab verschluckt.
  
Es soll sich jedoch niemand wundern, dass der Mensch ohne Essen und Trinken sein Leben erhalten und auswendig gespeist werden kann. Denn auf die gleiche Weise, wie der Magnet seine Speise vom Magnet an sich zieht, allein wenn er darauf gelegt wird, tut es auch der Magen im Menschen, der auch wie ein Magnet ist. Er muss auch seine tägliche Nahrung haben, sei es inwendig oder auswendig. Wie ein Magnet Liebe, Lust und Begierde zum Eisen hin als seine Speise hat, so hat auch der Magen im Menschen eine magnetische Begierde zur Speise, so dass er es auch auswendig hineinziehen kann, aber nicht körperlich sondern geistig und als Quintessenz der Speise, welche kein Unwohlsein und keinen Kot im Magen macht, wie beim körperlichen Essen durch den Mund. Darum sage ich hier, dass der Magen ein Magnet ist und die Speise, die gegessen werden soll, das Eisen ist. Und wie der Magnet seine Speise vom Eisen hat, so kann der Magen von den Kräutern seine Nahrung empfangen. Wo er jedoch seine Speise, das ist das Eisen, nicht haben kann, beginnt er damit, sich selber aufzufressen an seinen Kräften, so lange und so viel, bis er abstirbt.. Desgleichen tut auch der Magen im Menschen, wenn er nicht mehr gespeist wird, sei es auswendig oder inwendig, das ist körperlich oder geistig, so fängt er an, sich selber zu fressen und verliert seine Kräfte der Verdauung und greift sich selbst an, auf die gleiche Weise wie ein Mensch, der an Hunger sterben soll und sein eigenes Fleisch frisst.
    
  
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